Für einen Teil der Mitglieder eines Musikvereins und wahrscheinlich auch für einige Dirigenten mag diese Zielbeschreibung stimmen. Aber eigentlich sollte dieses Ziel bereits relativ früh während einer Probenphase erreicht werden. Danach gibt es noch viele Ziele auf dem Weg zum kultivierten und ausdrucksstarken Musizieren zu erreichen. Damit diese Ziele erreicht werden können, ist BandCoaching unerlässlich.
Die drei Aufgabenbereiche der Dirigenten
• Eine attraktive Rolle der Dirigenten ist die der künstlerischen Leitung eines Ensembles. In dieser Funktion können sie ihre Kreativität, ihre Musikalität und Feinfühligkeit voll ausleben. Sie haben die sehr schöne und erfüllende Aufgabe, Musikstücke im Sinne der Komponisten möglichst lebendig, farbig, präzise und ausdrucksvoll zu gestalten.
• Eine weitere wichtige Rolle ist die des Musiklehrers, des Coaches, bzw. des Band-Coaches. Die Bezeichnung Coach wurde deshalb gewählt, weil die Tätigkeit des Dirigenten vergleichbar ist mit derjenigen des Fußballtrainers. Während des Trainings, bzw. während der Musikproben, werden alle wesentlichen Informationen zu Tonkultur, Intonation, Phrasierung, Artikulation, Dynamik, rhythmischer Präzision, lebendigem Metrum und spannungsreichem Musizieren vermittelt und geübt. Während des Konzertes müssen die Instrumentalisten diese Anweisungen verinnerlicht haben und in Klang umsetzen. Als Dirigent hat man dann zumindest auf gewisse Aspekte des Orchestermusizierens nur noch bedingten Einfluss.
• Ein dritter Aufgabenbereich ist derjenige des Managers. Es müssen Konzepte erarbeitet, vertreten und umgesetzt werden. Probenpläne müssen erstellt werden, der Ablauf einer jeden einzelnen Musikprobe muss geplant und vorbereitet werden. Und so gibt es noch viele weitere organisatorische Aufgaben, welche hier nicht einzeln erwähnt werden sollen.
Je nach Leistungsfähigkeit der einzelnen Orchester, kommt dem einen oder anderen Aufgabenbereich mehr Bedeutung zu. Gerade in Musikvereinen der Grade 3 und 4 und in den Jugendkapellen fällt der Tätigkeit als Coach sehr viel Bedeutung zu.
Das hat viele Gründe:
Musikvereine, besonders Dorfvereine, sind in der Regel in Bezug auf ihre Mitgliederstruktur sehr heterogen zusammengesetzt, wie nebenstehende Illustration veranschaulicht. In jedem Verein gibt es instrumentale „Riesen“, „Zwerge“ und viele Abstufungen dazwischen. Die Wahl der Begriffe Riesen und Zwerge soll nicht despektierlich klingen. Der Vergleich aus der Märchenwelt dient der Verdeutlichung der Situation. Unter all diesen Menschen, welche sich treffen, um gemeinsam zu Musizieren, findet man Solisten (Alpha-Männchen), Diven, Showmen, Co-Dirigenten aber auch viele Mitglieder, welche die Sache gemütlich angehen. Die Motivation der einzelnen Vereinsmitglieder ist sehr unterschiedlich. Die einen möchten zusammen mit ihren Kollegen eine möglichst gute und beeindruckende Leistung erbringen. Andere dagegen möchten einige bekannte Melodien spielen und nach der Probe und den Auftritten gerne Zeit im Kreise der Kollegen verbringen. So unterschiedlich wie die Motivation sind auch Musikverständnis, Ausbildungsstand, Leistungsfähigkeit sowie die Erfahrung, in verschiedenen Besetzungen mitzuspielen.
Die Aufgabe der Dirigenten besteht darin, das Potenzial der Musiker zu erkennen, zu nutzen und zu fördern. Die unterschiedliche Leistungsfähigkeit muss ausgeglichen werden, indem die individuellen Aufgaben der Ensemblemitglieder ihren Möglichkeiten entsprechend angepasst werden. Leistungsträger werden zum Beispiel als Stimmführer oder Registerleiter eingesetzt. Es wird ihnen auch die Möglichkeit geboten, solistische Funktionen zu übernehmen. Schwächere Musiker erhalten einfachere Aufgaben zugeteilt, welche sie auszuführen in der Lage sind. Bei dieser Aufgabenteilung neigen die Leistungsträger teilweise dazu, laut zu spielen. Sie tun das in der Meinung, sie würden damit den schwächeren Kollegen einen Dienst erweisen und diese mitziehen. Diesen Irrtum gilt es auszuräumen und die entsprechenden Informationen für die Förderung einer Klangsensibilität zu vermitteln. Spielen einzelne Mitglieder wesentlich lauter als andere, so ist die Klangbalance nicht mehr gewährleistet. Auf diesem Weg ist kein guter Orchesterklang zu erzielen, selbst dann nicht, wenn die Einzelleistungen sehr gut sind.
Band-Coaching (Ensembleschulung)
Beim Band-Coaching geht es darum, eine Kultur des Musizierens im Orchester zu vermitteln und die unterschiedlichen Einzelleistungen zu einem homogenen, gepflegten und transparenten Klang zu verbinden. Die musikalische Kultur eines Blasorchesters wird von sehr vielen Faktoren bestimmt.
Es sind dies im Folgenden:
• kultivierter, transparenter und ausgewogener Blasorchesterklang
• reine Intonation
• breites und wirkungsvolles Dynamikspektrum
• stilgerechtes Artikulieren
• präzises Zusammenspiel
• präzises rhythmisches Spiel mit lebendigem Metrum
• saubere technische Ausführung des Notentextes
• gemeinsames und spannungsreiches Phrasieren
• ausdrucksstarkes, lebendiges und engagiertes Musizieren
• überzeugende Interpretationen
Um in all diesen Bereichen erfolgreich arbeiten zu können, ist sehr viel Musikverständnis, Können und Feingefühl erforderlich. Um diese Qualität des Orchestermuszierens aufzubauen und zu halten, ist sehr viel und regelmäßiges Training erforderlich.
Einspielen PLUS
Eine Musikprobe beginnt in der Regel mit der Einspielphase. Obwohl die Musiker selbst einspielen könnten, erfolgt das Einspielen in der Gruppe. Das macht schon Sinn: Bereits beim Anwärmen der Muskulatur und der Instrumente findet ein Prozess, der über das reine Einspielen hinaus geht, statt. Die Vereinsmitglieder fokussieren sich auf das gemeinsame Musizieren und lassen nach und nach die Gedanken an ihren Alltag, an Ärger, Stress, aber auch freudige Ereignisse, los. Sie fokussieren sich auf die gemeinsame Tätigkeit, das Musizieren im Orchesterverband. Das hat in der Regel zur Folge, dass Klang und Intonation zunehmend besser werden, je stärker die Aufmerksamkeit der Instrumentalisten der gemeinsamen Tätigkeit gewidmet wird.
Nebst reinen Einspielübungen werden während dieser Phase auch exemplarisch Übungen zur Förderung des Musikverständnisses und der Klangsensibilität gespielt und erarbeitet. Dabei wird jeder Ton der einfachen Übungen sehr bewusst gespielt. Jedem Ton wird das richtige Gewicht und der gewünschte Ausdruck beigemessen, sodass die Beiträge eines jeden Musikers ein überzeugendes Resultat ergeben. Jeder Ton wird, bildlich gesprochen, auf die Goldwaage gelegt und mit der Lupe betrachtet. Während der Einspielphase werden zum Beispiel Informationen zum reinen Intonieren vermittelt und das Hören im Orchester organisiert und geübt. Diese Arbeit an den Grundlagen der Basisfähigkeiten sind für ein erfolgreiches Musizieren im Blasorchester unerlässlich. Wichtig ist es dann, die Erkenntnisse aus dieser Grundlagenarbeit auf die praktische Arbeit an den Repertoirestücken zu übertragen. Auch bei dieser Tätigkeit ist es unumgänglich, einzelne Themen und Motive exemplarisch zu erarbeiten.
Der Weg zum Ziel vom Erarbeiten der Strukturen eines Werkes bis zu Konzertreife kann die erwähnten Tätigkeiten (Illustration) umfassen, wobei diese nicht nacheinander, sondern parallel (ganzheitlich) ausgeführt werden. Wichtig sind auch die Voraussetzungen, welche die einzelnen Vereinsmitglieder zu Hause schaffen. Es gilt vor allem zu bedenken, dass die beste Ausbildung nicht viel hilft, wenn zum Beispiel die Kondition fehlt. Also ist auch das regelmäßige (tägliche) Üben zu Hause unerlässlich, um erfolgreich im Blasorchester musizieren zu können. Je besser vorbereitet die Vereinsmitglieder zur Probe kommen, umso mehr Spaß macht das gemeinsame Musizieren, was der allgemeinen Motivation zugutekommt.
Band-Coaching – Die Serie
In den nächsten Ausgaben der blasmusik finden Sie weitere Themenschwerpunkte.
https://band-coaching.ch
Hans-Peter Blaser ...
… studierte am Konservatorium für Musik und Theater in Bern und an der Musikakademie Basel, wo er seine Studien 1978 mit dem Diplom als Blasorchester-Dirigent und 1981 mit dem Diplom als Lehrer für Musiktheorie und Komposition abschloss. Seine Hauptfachlehrer waren Albert E. Kaiser, Robert Suter und Jaques Wildberger. Nach Abschluss seiner Studien an den Musikhochschulen besuchte er Privatunterricht bei Jean Balissat, um sich in Komposition und Analyse weiterzubilden. Der Besuch der Wiener Meisterkurse in den Sommermonaten 1984 und 85 diente der Weiterbildung als Dirigent. Vom Unterricht bei Julius Kalmar profierte er in hohem Maße. Von 1986 bis 2006 unterrichtete er als Dozent und Studiengangsleiter am Blasmusikleiter-Seminar der Hochschule für Musik und Theater in Zürich Blasorchester-Direktion. Von 1987 bis 2006 war er ebenfalls an der Hochschule der Künste Bern (ehemals Konservatorium) in derselben Funktion tätig.
Ab dem Jahr 2003 bis 2014 entwickelte Hans-Peter Blaser als Leiter des Bereichs E-Learning im Departement Musik der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK zusammen mit den Dozierenden ein entsprechendes Angebot für die Nutzung der elektronischen Medien im Unterricht und für das Studium zu Hause.
Seit 1975 leitete Hans-Peter Blaser als Dirigent Blasorchester verschiedener Leistungsklassen, darunter während 16 Jahren die Stadtmusik Thun sowie das Markgräfler Verbandsblasorchester. Als Jurymitglied und Berater ist er an regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerben und Musiktagen im Einsatz.
Seit 2007 leitet er als Komponist, Autor und Verleger seinen Eigenverlag ( https://band-coaching.ch ). Erst veröffentlichte Hans-Peter Blaser die unterschiedlichen Band-Coaching-Ausgaben. Nach und nach wurde und wird das Angebot auch um eigene Kompositionen und Arrangements erweitert. Seine langjährigen Erfahrungen als Dirigent, Dozent, Coach und Experte (Wertungsrichter) vermittelt er in Form der Lehrmittel- und Übungssammlungen der Band-Coaching-Serie, als Workshopleiter, als Band-Coach und Personal-Coach für Dirigenten.
blasmusik Ausgabe 05-2020 | Autor: Hans-Peter Blaser
Zum digitalen Kiosk geht es hier: epaper.blasmusix.de