Das Ehrenamt ist wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt: Wie wichtig – das wurde spätestens in der Pandemie deutlich. Um es zu stärken und die Zukunft der Vereine zu sichern, sind Professionalisierung der Vorstandsarbeit und Qualität in der Fortbildung unerlässlich. Im Auftrag des Landesmusikverbandes BW wurde dazu in zweijähriger Arbeit die Weiterbildung EMA – Ehrenamt-Management entwickelt. Im Herbst geht es mit ersten Fortbildungsangeboten an den Start.
Ohne Leidenschaft, Ideen und persönliches Engagement ist Ehrenamt nicht denkbar. Um einen Verein mit Leben zu füllen, seine Existenz und Zukunft zu sichern, braucht es aber mehr als Herzblut. Es bedarf einer Professionalisierung der Vorstandsarbeit, die mit passgenauen Managementinstrumentarien erreichbar ist. Schließlich sind viele Vereine im Hinblick auf ihre Strukturen und Prozesse mit mittelständischen Unternehmen vergleichbar. „Wir brauchen in der Amateurmusik nicht nur bei den Chor- und Orchesterleiter:innen und den Instrumentallehrer:innen, sondern auch in der Vorstandsarbeit ein noch höheres Maß an Professionalisierung, um zukunftsfähig zu bleiben“, ist Christoph Palm, der Präsident des Landesmusikverbandes Baden-Württemberg (LMV) überzeugt. Bestätigt fühlt er sich von den Ergebnissen aus dem Dialogprozess Kulturpolitik für die Zukunft 2020. In dessen Abschlusspublikation hebt Petra Olschowski, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements für die Kultur hervor und fordert, dass unter anderem die Vereine „in Zukunft noch stärker ideell und gegebenenfalls auch finanziell unterstützt werden – unter anderem durch Qualifizierungsangebote“.
Das Ehrenamt erfordert umfangreiche Kompetenzen und Kenntnisse
Angesichts der gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Entwicklungen zeichnet sich indes ab, dass der Anteil der öffentlichen Mittel in der Finanzstruktur der gemeinnützigen Organisationen in Zukunft voraussichtlich stagnieren, wenn nicht gar sinken wird. Die Selbstfinanzierungskraft, beispielsweise aus Mitgliedsbeiträgen, ist meist nicht ausreichend, um die notwendigen Ausgaben für die Vereinsleistungen zu decken. Deswegen ist es umso wichtiger, dass sich Vereine auch mit anderen Finanzierungsmöglichkeiten wie Sponsoring oder Crowdfunding auseinandersetzen. In den Fokus zukunftsfähiger Anforderungsprofile im Verein rücken auch sogenannte Schlüsselkompetenzen, die eine effiziente Einführung und Nutzung von digitalen Systemen unterstützen oder etwa die Mitgliedergewinnung durch Social-Media abdecken. Dies sind nur ausgewählte Beispiele aus einer umfangreichen Liste an Kompetenzen und Kenntnissen – sie verdeutlichen aber, dass Vereinsmitglieder das wertvollste Kapital und Potenzial von Vereinen sind. Sie gilt es als Mitgestalter und Problemlöser einzubinden, ihre Kreativität und Kompetenzen zu nutzen und sie mit zusätzlichem Managementwissen, weiteren Kenntnissen und Fähigkeiten auszustatten.
Die Notwendigkeit, in diesem Bereich Fortbildung anzubieten, wurde im Landesmusikverband schon vor Jahren erkannt. Seit 2014 beschäftigte man sich im LMV nicht nur mit der Frage, mit welchen Bildungsangeboten eine zukunftsorientierte, qualitätsvolle Amateurmusik unterstützt werden kann. Vor dem Hintergrund, dass letztlich jeder Chor- und Instrumentalverein vor denselben gesellschaftlichen Herausforderungen steht, gelangte man vielmehr zu folgender Einsicht: Parallelstrukturen in den Verbänden müssen abgebaut werden, um die Zukunftsfähigkeit der Fort- und Weiterbildungsarbeit und der Serviceangebote dauerhaft zu sichern. Damit war die Idee von einem „Kompetenznetzwerk Amateurmusik“ geboren. Aus ihr ging das modulare Seminarkonzept „Mitspielen in der Zukunft – Vereinsmanagement in der Amateurmusik“ hervor. Dieser gute Ansatz wurde nun im Auftrag des LMV von einem Team, bestehend aus Dr. Petra Schneidewind vom Institut für Kulturmanagement der PH Ludwigsburg und den beiden Akademieleitern Christoph Karle und Heiko Schulze, weiterentwickelt.
EMA fördert ein professionelles Vorgehen im Vereinsmanagement
Die Erfahrungen aus „Mitspielen in der Zukunft“ sind in das neue Konzept genauso eingeflossen wie die durch die Pandemie geschärften Bedarfe der Vereine der Amateurmusik. Im rund zweijährigen Entwicklungsprozess ging es einerseits um die Frage, welche Schritte und Maßnahmen es braucht, mehr Professionalität in das Ehrenamt-Management zu bringen, um dessen Zukunft und Weiterentwicklung zu gewährleisten. Andererseits wurden aus den formulierten Bedürfnissen und den damit erkennbaren Defiziten konkrete und praxisorientierte Seminarthemen in die Neukonzeption aufgenommen. Mit dem Wissen, woran gearbeitet werden muss, wurden sodann Weiterbildungsmaßnahmen abgeleitet, die gezielt und nachhaltig ein professionelleres Vorgehen im Vereinsmanagement fördern, unterstützen und ausbauen. Neben dem Bedarf im Verein wurden dabei auch die individuellen Interessen der Zielgruppe in den Fokus genommen.
Das Ergebnis ist eine neue, modulare Fortbildung, die unter dem Titel EMA Ehrenamt-Management Vereinsverantwortliche zur zertifizierten Ehrenamtsmanagerin oder zum Ehrenamtsmanager weiterbildet. Das E aus dem griffigen Titel EMA steht dabei nicht nur für Ehrenamt und Engagement, sondern auch für die verschiedenen Ebenen, die kennzeichnend für den Aufbau der modularen Weiterbildung sind: E1 Einführung, E2 Elementarwissen, E3 Entwicklung und E4 Einsatz. Innerhalb EMA wird es sowohl Online-Formate als auch Fortbildungsangebote in Präsenz geben. So bietet E1 als webbasiertes Training den idealen Einstieg in Ehrenamt-Management. Es kann on demand, also jederzeit und allerorts genutzt werden und ermöglicht selbstgesteuertes Lernen. Die beiden Akademieleiter Christoph Karle und Heiko Schulze wissen aber aus Erfahrung, wie wichtig der persönliche Austausch mit anderen Vereinsverantwortlichen für den Aufbau von Managementwissen ist und legen deshalb großes Gewicht auf Präsenzseminare in der BDB-Akademie und im Musikzentrum Baden-Württemberg. „Sie bieten den entscheidenden Vorteil des direkten Peer-to-Peer-Lernens“, erläutern Karle und Schulze. Die gesamte Fortbildung zur Ehrenamtsmanagerin oder zum Ehrenamtsmanager ergibt in Summe 100 E-Credits (je 10 pro Lerneinheit). 30 Punkte können in den Pflichtseminaren in E2 erreicht werden, weitere 60 Punkte sind frei wählbar aus den Seminaren unter E3 und zuletzt können weitere 10 Punkte durch die Dokumentation des Praxistransfers in E4 erhalten werden. Idealtypisch können Teilnehmende so die ganze Weiterbildung von E1 Einführung, über E2 Elementarwissen, E3 Entwicklung und E4 Einsatz, durchlaufen. Inhaltlich werden bei der Einführung die Grundlagen der Amateurmusikszene, speziell in Baden-Württemberg aufgezeigt und dabei auf die spezifische Problemlage und die Herausforderungen der Vereine hingewiesen. In E1 soll eine gemeinsame Ausgangslage für die darauf aufbauende Fortbildung geschaffen werden. In E2 hingegen wird Elementarwissen in den Bereichen Management, Recht und Finanzen vermittelt, die unabhängig von der spezifischen Funktion im Verein relevant sind, während im Entwicklungsmodul E3 eine Vertiefung in frei wählbaren Themenbereichen vorgenommen wird. Themenkomplexe in diesem Bereich sind etwa Kommunikation, Vereinsverwaltung/Digitaler Verein und Marke mit entsprechenden Unterthemen.
Die Fortbildung kann komplett durchlaufen und mit Zertifikat abgeschlossen oder auch einzeln als Individual- oder Solitärfortbildung besucht werden. Interessierte erhalten somit maximale Flexibilität und können sich auf einer Fortbildungsroute von ihren persönlichen Interessen leiten lassen. „EMA ist so offen, dass sich Vereinsverantwortliche zu jedem Thema überall andocken können“, weiß Schulze. Mehr noch: „Im Sinne von Lifelong Learning begleitet EMA Vereinsverantwortliche durch die ganze Vereinskarriere und Ehrenamtslaufbahn“, so Karle. Über den Besuch der Seminare können die Teilnehmenden E-Credits und letztlich das Zertifikat Ehrenamtsmanagerin und Ehrenamtsmanager erwerben.
Mit E-Credits zum Zertifikat Ehrenamtsmanager:in
Im Herbst wird EMA zunächst mit Online-Formaten in der BDB-Online-Akademie an den Start gehen. Präsenzseminare im Musikzentrum Baden-Württemberg ab Frühjahr 2023 sowie in der neuen BDB Akademie ab November 2023 folgen. Auch die Webseite zur EMA-Ausbildung steht kurz vor der Fertigstellung und wird in Kürze veröffentlicht. Überzeugt von EMA sind jetzt schon LMV-Präsident Christoph Palm und die Arbeitsgruppe aus Petra Schneidewind, Christoph Karle und Heiko Schulze. „In der spartenübergreifenden Zusammenarbeit ist es uns gelungen, mit einem neuen, überfachlichen Seminarkonzept eine Stütze in der Professionalisierung des Vereinsmanagements zu schaffen“, freut sich Petra Schneidewind und ist sich sicher: „Das ist ein Produkt für die Zukunft“. Groß ist die Freude über EMA aber auch aus einem anderen Grund: „Es ist ein großer Wurf, dass wir alle Mitgliedsverbände zusammengeführt, alle mitgenommen und eine intensive Zusammenarbeit hergestellt haben. Das stärkt den Zusammenhalt der Verbände im Landesmusikverband enorm“, bestärkt Palm.
Weitere Infos zu allen Seminaren und der Anmeldung bekommen Sie demnächst online unter ema-bw.de und in der kommenden Ausgabe.
Pressekontakt: Samira Golderer | Landesmusikverband Baden-Württemberg | Eisenbahnstr. 59 | 73207 Plochingen
Telefon 07153/92816-52 E-Mail: golderer@landesmusikverband-bw.de
blasmusik Ausgabe 10-2022 | Autor: Martina Faller
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