Immer wenn es um Führung geht, dürfen zwei Begriffe nicht fehlen: Kommunikation und Motivation. Für Peter Gerst ist beides ohnehin untrennbar miteinander verbunden. Darum gilt für den Führungscoach auch in der Verbands- und Vereinsarbeit: Wer Mitglieder wirkungsvoll ansprechen und aktivieren will, muss bei der Kommunikation ansetzen. Denn: „Clever kommuniziert ist erfolgreich motiviert.“
„Kommunikation ist immer ein Versuch, Menschen zu motivieren“, sagt Peter Gerst zum Auftakt seines Impulsvortrags im Rahmen der BDB-Herbstklausur und er spricht aus eigener langjähriger Erfahrung in der Vereinsarbeit. Um mehr über Kommunikation zu erfahren, gilt es deshalb zunächst das Geheimnis der Motivation zu ergründen. Dazu genügt es, sich die Etymologie des Begriffes genauer anzuschauen. Abgeleitet wird „Motivation“ nämlich vom lateinischen Verb „movere“, das „bewegen“ und „antreiben“ bedeutet. Gleichzeitig ist in „Motivation“ der Begriff „Motiv“ enthalten, der sich vom gleichbedeutenden mittellateinischen „motivum“ ableitet, das mit Beweggrund, Anlass, Antrieb übersetzt werden kann. Und was ist der Grund, der Menschen antreibt? Um diese Frage zu beantworten, muss man im etymologischen Wörterbuch nur einige Seiten zurückblättern zum Buchstaben E und zu den Wurzeln des Begriffs Emotion. Dieser leitet sich von lateinisch „emovere“ ab, was sich mit „herausbewegen“ übersetzen lässt. Der Schluss liegt also nahe, dass es immer das Gefühl und die Emotionen sind, die Menschen bewegen etwas zu tun. „In den Begriffen steckt die volle Bedeutung und ganz viel Menschheitswissen drin“, weiß Peter Gerst. Das Geheimnis der Kommunikation lässt sich auf dieser Grundlage ganz einfach auf den Punkt bringen: Kommunikation muss Emotionen erzeugen, um Motivation auszulösen. Es sei denn, wir möchten nur informieren und die Menschen mit Daten, Zahlen und Fakten in Kenntnis setzen. Eine der ersten Fragen, die wir uns laut Peter Gerst deshalb stellen müssen, ist: Wollen wir Menschen bewegen oder in Kenntnis setzen? Sobald wir Menschen jedoch in Bewegung setzen und motivieren möchten, kommen wir ohne Emotionen nicht aus. Diese Erkenntnis birgt auch für den „Sender“ Herausforderungen: „Als Sender müssen wir uns öffnen, eigene Emotionen zeigen und Begeisterung spürbar machen!“ Wichtig ist es in diesem Zusammenhang, die zwei menschlichen Grundmotivatoren zu kennen: Das sind Schmerzvermeidung auf der einen und die Aussicht auf Glück, Freude und Zufriedenheit auf der anderen Seite. Und zu wissen: Menschen lassen sich nur motivieren, wenn sie einen Nutzen oder Mehrwert für sich darin spüren und der liege eben entweder meist in der Aussicht auf Glück bzw. der Abwesenheit von Schmerz. „Wir dürfen aber nicht in die Falle tappen und von uns selbst ausgehen“, sagt Gerst. „Anstatt vom eigenen Mehrwert auszugehen, müssen wir erkennen, was den anderen bewegt.“ Dieser Perspektivwechsel und das Erkennen der Bedürfnisse des Gegenübers ist laut Peter Gerst das A und O einer erfolgreichen Kommunikation. „Hören Sie aktiv zu, seien Sie interessiert, versetzen Sie sich in andere Menschen hinein. Nur dann können Sie erkennen, was den anderen bewegt und Argumente finden, die bei ihm oder ihr greifen“, empfiehlt Peter Gerst.
Dafür ist es hilfreich, sich weitere menschliche Grundmotive bewusst zu machen: Macht, Leistung und Anschluss. „Alle drei Grundmotive stecken in uns“, betont der Coach. Welches bei einem selbst dominiert, lässt sich anhand weniger Fragen schnell herausfinden: „Wie fühlt sich das an, wenn …?“, „Kann ich darauf verzichten, dass …?“ Für die Mitgliedermotivation indes lassen sich von den drei Grundmotiven Macht, Leistung und Anschluss zentrale Fragen ableiten: Was bieten wir als Verein denen, die mitentscheiden und mitgestalten möchten (Macht)? Was bieten wir denen, die sich über Leistung definieren und immer besser werden möchten? Und was bieten wir denen, die viel Gemeinschaft erleben möchten? Peter Gerst weiß um das Konfliktpotenzial dieser verschiedenen Bedürfnisse. „Das sind keine Entweder-Oder-Fragen. Es geht darum, dass alle im Verein das finden, was sie suchen.“
Auch Sinn, Orientierung, Sicherheit, Wertschätzung und Vertrautheit sind menschliche Bedürfnisse und damit Faktoren, die sich auf die Motivation auswirken.
„Führung ist immer auch Sinnvermittlung. Wir müssen uns immer fragen, ob wir wirklich den Sinn unseres Tuns vermitteln.“
Hat man sich das Geheimnis der Motivation und die dahinter stehenden menschlichen Bedürfnisse erst bewusst gemacht, ist der Schritt zur konkreten Umsetzung nicht mehr groß. Peter Gerst gibt dafür fünf konkrete Anwendungstipps für die Kommunikation nicht nur im Verein.
1. Menschen mögen positive Erlebnisse
→ Lasse alles Beschwerende in der Mitgliederkommunikation weg.
→ Berichte lieber über alles, was anderen Lust gemacht hat, dabei zu sein und was es ihnen gebracht hat: Tom-Sawyer-Prinzip.
→ Löse „Das will ich auch haben“-Impulse aus.
2. Menschen mögen alles, was vertraut und ähnlich ist
→ Stelle das Gemeinsame und Verbindende in den Mittelpunkt.
→ Kommuniziere persönlich und frei über Hierarchiegrenzen hinweg.
→ Kommuniziere in der Du-Form.
→ Kommuniziere im Stil und mit den Mitteln der Mitgliedergruppe, die du erreichen möchtest.
3. Menschen spüren und mögen es, wenn sie verstanden werden → Versetze dich in die Mitgliedergruppen, die du erreichen möchtest und mache dir ein konkretes Bild von ihnen.
→ Frage sie, was ihnen wichtig ist, was sie mögen und was sie nicht mögen.
→ Lass Mitglieder in Deiner Kommunikation spüren, dass du verstanden hast und nutze das „Wenn …, dann …“-Prinzip: „Wenn Dir das und das wichtig ist, du das und das magst, dann ist dies … genau das Richtige für dich.“
4. Menschen mögen Sicherheit, Sinn und Orientierung
→ Vermeide die Falle davon auszugehen, dass für die Menschen, die du erreichen möchtest, alles so klar ist wie für Dich und dass sie in Entscheidungen, Zielen, Projekten, Veranstaltungen usw. den gleichen Sinn erkennen wie Du.
→ Informiere stattdessen so, als würden andere das Entscheidende nicht wissen.
→ Erkläre stets den Sinn und das „Wozu“ von Entscheidungen, Zielen, Projekten, Veranstaltungen usw.
5. Menschen ist es wichtig, dass Bedenken ernst genommen werden, denn dahinter stehen Bedürfnisse, die ihnen wichtig sind
→ Interpretiere Einwände deshalb nie als Angriffe, sondern als nützliche Hinweise auf Bedürfnisse.
→ Versuche herauszufinden, welche Bedürfnisse das konkret sind und was den Einwandgeber:innen daran wichtig ist.
→ Wenn Du Einwände kennst, sprich sie an, bevor sie von denen angesprochen werden, die sie haben.
Für eine effiziente Zusammenarbeit in Vereinsgremien lassen sich daraus ebenfalls Grundsätze ableiten. Der erste Grundsatz lautet: Fokussieren. „Erklären Sie mündlich und auf der Agenda, um was es bei den einzelnen Punkten geht“, empfiehlt Gerst. Soll nur informiert, gemeinsam eine Lösung erarbeitet, eine Entscheidung getroffen oder eine Arbeit, eine Aufgabe oder ein Projekt organisiert werden?
Gut zu wissen … Das EDA-Prinzip
Sobald man den Buchstaben „h“ an der richtigen Stelle einsetzt, erklärt sich das EDA-Prinzip gleichsam von selbst. „Wenn ich ‚eh da‘ bin, dann nehme ich doch so viel mit, wie ich nur kann!“, erklärt Peter Gerst das Prinzip, das auf Anhieb die Grundmotivation auf ein höheres Level setzt.
Die 3-A-Technik
Abwerfen: Den „Geht doch gar nicht“-Reflex abwerfen.
Agieren: „Wie könnte das gehen“ als Grundprinzip.
Ausprobieren: Erst die Praxis zeigt, ob es funktioniert.
Auch für die Leitung von Gremien formuliert Peter Gerst hilfreiche Tipps:
• Immer Sinn und Nutzen klären: Wozu soll etwas Bestimmtes auf eine bestimmte Weise erreicht werden?
• Stets festhalten: Wer tut was bis wann, auf was kommt es dabei an bzw. was soll dadurch bewirkt werden?
• Sichtbar alles Wichtige aufschreiben, damit jeder sieht, um was es geht und was das Ergebnis ist (Flipchart, Rechner/Beamer).
• Am Ende: Die wichtigsten Ergebnisse sowie die weiteren Schritte und Konsequenzen zusammenfassen.
Die praktischen Anwendungstipps von Peter Gerst sind nützlich, um das Kommunikationsverhalten im Verein zu reflektieren und zu verbessern. Eine lohnende Sache für jeden Verein ist es aber auch, das zu tun, was sich die Delegierten der Herbstklausur im Anschluss an Gersts Impulsvortrag in Arbeitsgruppen vornahmen: Sie haben Mitglieder-Personas entwickelt, um Mitglieder, deren Bedürfnisse und Interessen besser kennenzulernen und sie gezielter ansprechen zu können und dabei die Erfahrung gemacht, dass es tatsächlich einen großen Unterschied macht, ob man allgemein über Mitglieder nachdenkt oder sich konkrete Personen vorstellt. Sie haben anhand der Grundmotive Ideen entwickelt, was man Mitgliedern noch zielgenauer bieten sollte. Sie haben Mitglieder-Publikationen wie Newsletter, Rundschreiben, Einladungen, Website-Texte …etc. darauf überprüft, inwieweit sie den dargestellten Motivationsprinzipien entsprechen. Sie haben Veranstaltungen daraufhin überprüft, inwieweit sie inhaltlich und in der Ankündigung den gewünschten Zielgruppen erkennbaren Nutzen (also Beweggrund) bieten. Und sie haben vorhandene Kommunikations- und Informationsprozesse darauf überprüft, inwieweit sie den erläuterten Motivationsprinzipien entsprechen und gegebenenfalls bessere Alternativen entwickelt. Damit wird deutlich, dass eine Verbesserung der internen Kommunikation nicht auf Knopfdruck zu haben ist. Vielmehr ist ein intensiver interner Prozess erforderlich, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen. In Klausur zu gehen, kann ein Anfang sein. Der BDB hat es nicht nur vor, sondern sich auch auf den Weg gemacht. Dass es sich lohnt, steht außer Frage. Erste Ergebnisse werden in den Verbandsmedien sicherlich bald zu sehen sein.
Zur Person: Peter Gerst …
… ist beruflich stets seiner Neugier und seinen Interessen gefolgt. Nach einem Studium der Religionswissenschaft, Psychologie und Erziehungswissenschaft hat er Chancen ergriffen und neue Herausforderungen angenommen. Dadurch hat er unterschiedlichste Lebens- und Arbeitswelten kennengelernt und etwas gewonnen, was er als „360°-Berufserfahrung“ bezeichnet. Er war Radiojournalist, Videoreporter und Moderator beim Hessischen Rundfunk, Creative Director einer Agentur und PR- und Marketingberater für Unternehmen, Organisationen, Verwaltungen und Politik. Davor war er als Organisationsentwickler und Personalleiter eines Einrichtungsverbundes mit 450 Mitarbeitern sowie Vertriebsleiter einer Schuhhandelskette und eines EDV-Systemhauses tätig. Seit 2000 arbeitet er nebenberuflich als Theaterregisseur und Schauspieler (Bühne/Film). Heute ist er Führungskräfte-, Vertriebs- und Motivationstrainer, Fachbuchautor, Speaker sowie DIN-zertifizierter European Business Coach® … und sieht darin die Erfüllung all dessen, was er früher getan hat. https://www.peter-gerst.de/
blasmusik Ausgabe 11-2021 | Autor: Martina Faller
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